Freitag, 30. Oktober 2015

The Big Five

„Habt ihr schon wilde Tiere gesehen?“ Diese Frage haben wir uns in unserem bisherigen knapp zwei- bzw. dreimonatigen Aufenthalt schon öfters anhören müssen. Und die Antwort lautet stets: „Ja!“. Tagtäglich begegnen wir Ratten, Eulen, hin und wieder auch mal der ein oder anderen Kakerlake und auf dem Weg zum Krügerpark sogar einer Kuh! Da konnte unser Camping-Aufenthalt im Selbigen natürlich lange nicht mithalten. Fast zwei Tage hatte es gedauert, bis wir endlich alle „Big Five“ gesehen hatten, zeitraubende Stopps bei Giraffen, Hippos, stillenden Hyänen, springenden bis fliegenden Kudus und äpfelklauenden Affen erschwerten uns diese Mission.

Letztendlich hätte der Leopard genauso gut auch ein weiterer Ast an einem Baum sein können und auch der Löwe hatte sich außer einer riesigen wartenden Autokolonne nicht weiter angekündigt. Zweifellos wären wir ansonsten einfach an dem hunderte Meter entfernten reglos daliegenden Haarbüschel vorbeigefahren. Immerhin waren diese nicht so penetrant wie die Elefanten, die uns mehrmals an der Weiterfahrt hinderten, indem sie einfach in Rudeln die Straße blockierten. Sogar die Babyelefanten wurden zu dieser nervtötenden Belagerung genötigt.

Schlussendlich konnten wir uns somit nur mit einem Bruchteil der Geschwindigkeit fortbewegen, die auf den asphaltierten Straßen möglich gewesen wären, was uns fast den Wiedereintritt in unser Camp gekostet hätte und uns das Halbfinale der Rugby-WM gekostet hat (was wir ohne eine unnatürlich große Menschenansammlung vor flackernden Mattscheiben in einem „Restaurant“ sowieso nicht bemerkt hätten). Nach einer mehr oder weniger erholsamen regnerischen Nacht im kurz zuvor erworbenen 17€-Zelt, einem Frühstück mit Warzenschwein- und Kudufleisch, zahllosen weiteren tierischen Wegblockierern und einer dank zahlreichen Mautstellen teuren Heimfahrt kamen wir wieder in der von richtig wilden Tieren wimmelnden Großstadt an.

Die Big Five













Zum Glück konnten wir das für die Mautstellen ausgegebene Geld schon im Voraus an anderen Stellen einsparen, so ernährten wir uns dann und wann schonmal von Keksen, die pro Packung umgerechnet 3 Cent gekostet hatten. Dass wir unser Zelt mit 10 Rand Finderlohn wieder zurückgewinnen mussten, nachdem dies beim Trocknen daheim vom Winde verweht wurde, zerstörte unsere Bilanzrechnung natürlich wieder.

Das konnte unseren Gemütszustand allerdings nicht mehr groß beeinträchtigen, da ansonsten wirklich fast alles glatt lief: unser kürzlich angeschaffter Nissan Sentra ist mittlerweile versichert (was ihn vermutlich zu einem Unikat in ganz Südafrika macht), hat problemlos auch die ein oder andere Offroad-Straße im Krüger überlebt und bringt uns zuverlässig zu Malls und dem Fitnessstudio, bei dem wir nun mittlerweile auch endlich zu einem unschlagbaren Preis unter Vertrag stehen. Auch unsere Wohnung glitzert (nicht ganz planmäßig) dank 5l neuer Gloss-Farbe an den Wänden wieder wie neu.

Sogar im Projekt konnten wir mittlerweile eine kleine Gruppe motivierter Schüler dazu bewegen, an unserem Deutschkurs teilzunehmen. Vor allem an den „Ös“ und „Üs“ hapert es zwar noch ein bisschen, aber auch dank unserem Aushilfslehrer und Rückkehrer Michael, der nach einem Jahr in Deutschland fließend Deutsch spricht (laut Thomas Aussage sogar besser als er selbst), läuft sonst alles bestens.

Einziger Wermutstropfen im Projekt ist und bleibt der Garten, denn mittlerweile sind mangels Druck, defekten Geräten und spurlosem Verschwinden…
  1. Das Bewässerungssystem
  2. Der Gartenschlauch
  3. Die 20l Gieskanne und
  4. Die kleine Handsprühpumpe
… nicht mehr benutzbar. Bleibt uns nur noch übrig, selbst kleinste Setzlinge mit Wassereimern zu überfluten und alles auf unseren parasitenzerfressenen Spinat und die mehr in die Waagerechte wachsenden „Buschtomaten“ zu setzen. Solang uns währenddessen nicht ein stechender Verwesungsgeruch entgegenweht, wollen wir uns gar nicht beschweren. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser nicht von den Eulen kommt, die wir seit 4 Wochen hier in Käfigen an die Umgebung gewöhnen wollen, damit diese später auf Rattenjagd gehen.

Zum Abschluss noch ein paar weitere amüsante, schockierende und in Erinnerung bleibende Eindrücke aus der Regenbogennation:
  • Es ist jedes Mal wieder eine Freude, beim Pick and Pay Supermarkt an der Kasse zu stehen und die Kreditkarte (VISA-Card!) zu zücken. Die muss erstmal verifiziert werden. Einmal okay, nur blöd, dass dieses Prozedere selbst beim 3. Mal bei der ein und selben Kassiererin wieder durchgeführt werden muss. Oh Wunder, das Ergebnis ist jedes Mal dasselbe, die weißen Deutschen sind doch nicht so kriminell wie angenommen, die Karte scheint tatsächlich uns zu gehören.
  • Auf dem Rückweg vom Supermarkt verfolgten uns, was sonst nie der Fall war, auf einmal eine Horde Kinder. Ehe wir die Tür aufschließen und die Einkaufstaschen abstellen, ist schon die halbe Wohnung voll mit den kleinen Bengeln, die uns dann auch noch nach den eben gekauften Äpfeln anbetteln, dabei wurde mir doch erst vor Kurzem einer von einem Affen entwendet.
  • Vom Englischen/Zulu ins Deutsche übersetzt sind hier „Danke“, „Südafrika“, „Respekt“ oder „Öffentlichkeit“ geläufige Vornamen. Im besten Fall sind dann auch noch alle mit dem „VOLKSIEBUS“ unterwegs auf dem Oberholzer-Freeway nach Ultra City, Belfast oder Wesselsbronn.

      Viele Grüße aus Soweto!